Die Geburt Europas

Unter allen Epochen der europäischen Geschichte hat es keine gegeben, die es an Wildheit, Brutalität, Zerrissenheit, Recht-, Zukunfts- und Hoffnungslosigkeit mit jener aufnehmen kann, die wir die Völkerwanderungszeit nennen. In diesen Jahrhunderten - das 4. bis 7. nach christlicher Zeitrechnung - zerbricht das Gefüge der Welt, wie es das römische Reich über tausend Jahre hinweg erschaffen und aufrecht erhalten hat, und Chaos, Krieg, Hunger, Seuchen, und Verzweiflung treten an seine Stelle.

 

Und doch, aus der Asche wird der Phönix neu geboren, aus der Vernichtung entsteht eine neue Welt - die Welt, die wir Europa nennen. Was war es, das diese Umwandlung und Neugeburt anregte, vorantrieb und durchführte? Welche Kräfte waren am Werk, und wer waren die Menschen, die sie regierten oder von ihnen regiert wurden?

Von all den vielen, z. T. namenlosen Völkern, die in den Wirren der Übergangszeit von der Antike zum Mittelalter ihren Weg und Platz zu finden versuchten, war keines bedeutender und erfolgreicher, als die Visigoten. Sie waren es, die 378 vor Adrianopel dem römischen Reich die entscheidende Niederlage beibrachten, sie waren es, die 410 unter ihrem Führer Alarich das ewige Rom eroberten und plünderten, und sie gründeten acht Jahre später in Gallien das erste Reich auf römischem Boden, das sich vom Vasallenstatus ganz frei machte.

 

Dieses tolosanische Reich ging 507 unter, als die Franken unter König Chlodwig die Goten auf den vogladensischen Feldern bei Poitiers vernichtend besiegten. Das vertriebene Volk wanderte nach Spanien aus und gründete dort ein neues, das toledanische Reich, das 200 Jahre lang bis zur arabischen Eroberung bestand.

In diesem Reich, im Norden der hispanischen Halbinsel, im Jahre 557, spielt mein Roman

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© Hargen Thomsen